Doch so schnell erhält man noch keine TierretterInnen-Ehrenmedaille. Im Gegenteil, für die Hunde ist hier das Leid häufig noch längst nicht vorbei. Und für manche geht es nie vorüber, die landen (und enden) dann bestenfalls in heimischen Tierheimen, schlechtestenfalls ... aber darüber wollen wir nicht nachdenken, schließlich ist der Hund doch gerettet!
Die Gründe, weshalb gar nicht so wenige vermeintliche Rettungen schiefgehen:
- Sozialisation der Hunde entspricht nicht dem Lebensumfeld der RetterInnen:
Ein ehemaliger Straßenhund wird in einer Wohnung wahrscheinlich nicht glücklich. - Ungünstige Lernerfahrungen der Hunde:Ein Hund, der bisher in diversen Tierheimen/Tötungsstationen herumgereicht und grob be-(oder mis-)handelt wurde, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Probleme, sich an viele Menschen und Umweltreize anzupassen.
- Schlechte Beratung!
Die ersten beiden Punkte sind von Seiten der Vermittlungsorganisationen schlecht beeinflussbar. Selbstverständlich gibt es auch Hunde, die ein ganzes Paket an ungünstigen Voraussetzungen mitbringen, es aber doch irgendwie schaffen, sich anzupassen. Das ist aber etwas, das man nur dankbar annehmen kann. Es jedoch zu erwarten, ist unseriös - und ein Tierschutzproblem.
Viel wahrscheinlicher ist es, dass der gerettete Hund die eine oder andere Baustelle mitbringt. Zumindest sind etliche von ihnen bei meinen KollegInnen und mir im Training. Die Tücke ist, dass diese Baustelle nicht notgedrungen offensichtlich sein muss: Es können Monate vergehen, bis ein Hund nach dem ganzen Hin und Her angekommen ist - das ist dann spätestens der Zeitpunkt, wo mehr und mehr Probleme entstehen.
Und schon sind wir beim letzten - sehr problematischen - Punkt: Schlechte Beratung und damit schlechte Erfahrungen (für Hund und Mensch) zu diesem Zeitpunkt lassen einen Teufelskreis beginnen. So einige Tierschutzorganisationen kooperieren mit selbsternannten HundetrainerInnen, deren Methoden aus der Steinzeit zu sein scheinen (oder geben gar keine Hilfestellungen). Gewalt erzeugt Gegengewalt, die Abwärtsspirale beginnt. Wer zahlt immer drauf? Richtig, der Hund, der dann bestenfalls im heimischen Tierheim landet. Siehe oben.
Weshalb manche (viele?) Menschen (auch im Tierschutz) auf die "Hau-drauf"-Lösungen reinfallen, kann ich mir nicht erklären. Vielleicht, weil belohnungsbasiertes, wirklich gewaltfreies und damit tierschutzkonformes Training kompliziert wirkt und nicht nur eine simple Maßnahme ("hau drauf", "reiß ordentlich an") für ein komplexes Problem bietet. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht!
Wirklich leid tun mir jedenfalls die Hunde - und deren Menschen. Letztere tun ja meistens ihr Bestes und setzen schlechte Ratschläge um. Auch entgegen ihrer ethischen Grundsätze, weil ihnen einE vermeintlicheR ExpertIn zu Leinenruck, Side-Kick, Alpha-Wurf und Co geraten hat.
Und nun komme ich zum Grund dieses Posts... einer wahren Begebenheit:
Vor einiger Zeit fuhr ich mit dem Auto am Stadtrand um eine Kurve und beobachtete ein junges Paar mit einer Hündin. Der stark hechelnden Hündin wurde mittels Leinenruck am Kettenhalsband der Boden unter den Vorderbeinen genommen.
Als ich vorbeigefahren war und wieder geradeaus fuhr, blickte ich in den Rückspiegel um hoffentlich die Bestätigung der einmaligen Aktion zu erhalten. Jedoch weit gefehlt, ich sah einen stark gestressten Hund, der überhaupt nicht wusste, wie er der Strafe entgehen konnte, und somit wieder keinen Halt unter den Beinen hatte.
Ich hörte bereits meinen Puls, betätigte den Blinker, stoppte das Auto und stieg aus. Es folgte ein emotionales Gespräch, durchaus nicht unbedingt freundlich, mit der dringenden Bitte sich an einE wirklich gewaltfrei arbeitendeN TrainerIn zu wenden, muss ja nicht ich sein.
Anhand der Reaktion ahnte ich schon, dass die Beiden selbst nicht gerade glücklich darüber waren, was sie tun mussten. Aber es wurde ihnen eben von einem selbsternannten Hundecoach als notwendig erklärt - gerade bei einem Tierschutzhund, der Aggressionsverhalten zeigt.
In der Hoffnung, dass es für den Hund (und die Menschen) doch noch zu einer positiven Lösung kommen würde, stieg ich wieder ins Auto und fuhr mit zitternden Knien weiter.
Etwa ein halbes Jahr später ging ich mit meinen Hunden in der Gegend spazieren - und wen sah ich da? Die Hündin und ihre Besitzerin von damals Leckerli-fütternd mit rosarotem Sicherheitsgeschirr!!!
Meine Freude war groß, wenigstens eine Hündin war tatsächlich gerettet!
Doch damit war die Erfolgsgeschichte noch nicht vorüber. Ich stehe inzwischen mit der Besitzerin in gutem Kontakt, wir haben uns "ausgesprochen". Und sie war so lieb und hat mich darin unterstützt, ihre Geschichte zu erzählen - in der Hoffnung, dass einigen die Augen geöffnet werden.
Hier die Geschichte aus der Sicht der BesitzerInnen:
Vorgeschichte:
Kettenhündin aus der Slowakei, kam ins Auffanglager in XXX, mit ca 2,5 Jahren nach Österreich zu einer Großpflegestelle. Sie verstand sich mit den dortigen Hunden nicht, weshalb sie die Pflegestelle öfter wechseln musste. Schließlich kam sie zur Tierpension eines selbsternannten Hundeexperten.
Ich habe natürlich wie fast jeder Cesar Millan
im Fernsehen gesehen und habe nie verstanden wie es noch Problemhunde
geben kann wenn die Lösung so einfach ist. Den Hund auf den ich
aufgepasst habe, habe ich aber trotzdem mit Leckerlis von anderen Hunden
abgelenkt. Das Kettenhalsband auf Vermittlungsfotos der Hündin fand ich grauenvoll.
Kennenlernen: (Hündin war 4 Jahre alt)
Wir fuhren zum selbsternannten Experten. Er brachte die Hündin aus dem Zwinger. Als sie weglaufen wollte bekam sie sofort einen heftigen Leinenruck
mit dem Kettenhalsband auf Zug. Ich war sprachlos aber dachte
tatsächlich das müsse so sein! Beim Gespräch mit dem "Trainer"
versicherte ich ihm, dass ich mit Hündin fertig werden würde. Ich würde
viel Sport mit ihr machen und sie dann mit Leckerlis von
Hunden weglotsen. Er lächelte nur. Auf die Frage warum sie so ein
furchtbares Halsband trage meinte er nur, dass sie sonst weglaufen
würde.
Dann „durften“ wir bei
einer seiner Trainingsstunden zusehen. Der Moment des Leinenrucks war
total kurz. Für uns sah es tatsächlich so aus als würde er nur mit der
Kette rascheln. Die Hunde waren sofort brav und folgten aufs Wort. Wir
wussten damals nicht, dass sie einfach total eingeschüchtert waren. Wir hatten keine Ahnung von der Hundesprache. (Ich legte auch meinem Pflegehund eine Kette um und der war allein davon so eingeschüchtert, dass er permanent bei Fuß ging.)
Wir
gingen mit der Hündin spazieren, sie zog sehr an der Leine. Der angebliche Trainer
sah uns zu und gab uns „netterweise“ Gratisunterricht. Er meinte „So
führt man einen Hund!“ und versetzte ihr einen wahnsinnig heftigen Leinenruck. Ich drehte mich um damit er meine Tränen
nicht sehen konnte. Er erklärte uns, dass es für den Hund besser wäre
einmal einen kräftigen Ruck zu bekommen als ständigem Druck auf dem Hals
ausgesetzt zu sein wenn er an der Leine zieht. So peinlich es mir heute
ist: es klang logisch und wir glaubten ihm. Seine Frau zeigte
mir wie man einen Hund dazu bringt sich hinzusetzen: sie nahm die Leine
in die Hand und zog so lange nach oben bis die Beine der Hündin einsackten. Ich
machte es ihr nach. Als die Hündin saß war ich stolz es geschafft zu haben die
Bestie zu bändigen.
Zuhause angekommen:
Wir dachten die Hündin müsse gleich beim ersten Spaziergang die ganze Umgebung kennenlernen und machten eine große Runde. Von Leinenführigkeit
wie damals beim angeblichen Experten war keine Rede. Sie hechelte wie verrückt,
war starkem Stress ausgesetzt. Wir ruckten an der Leine aber das
veränderte nichts. Also ruckten wir fester. Dann kamst du und
hast uns erklärt, dass sie leidet. In diesem Moment war alles einfach
viel zu viel! Am liebsten hätte ich den Hund sofort wieder hergegeben.
Dann kam die erste Hundebegegnung und die Hündin wollte den anderen Hund
einfach nur killen! Würgereiz hin oder her! Da war klar: was der "Hundeexperte" gesagt hat war reiner Schwachsinn. Er meinte zwar, dass man
bei Kettenhunden fester durchgreifen müsse, weil sie am Hals schon hart
wären aber damit hat’s einfach gereicht. Ich habe daheim das Kettenhalsband um meinen Hals gelegt und mir lief es kalt den Rücken runter.
Ich ging am nächsten Tag mit der Hündin einkaufen und kaufte ihr ein
Geschirr. Der erste Versuch mit positivem Training war gleich sehr
erfolgreich: ich hatte einen Hamster und belohnte den Jagdhund für ruhiges Verhalten neben dem Hamsterkäfig.
Problem in wenigen Minuten gelöst!!! Das Hundeproblem war aber noch
lange nicht gelöst. Ich versuchte die Hündin mit Leckerlis abzulenken – hatte
damit aber nur mäßig Erfolg. Dann sah ich eine Frau wie sie ihren Hund an
uns vorbeiclickerte und fragte sie (über das Geschrei der Hündin drüber)
ob das funktioniere. Sie meinte es funktioniere super, man brauche dafür
nur einen Trainer damit man‘s von Anfang an richtig mache. (Anmerkung: Das war eine meiner Kundinnen)Wenn ich diese Zeilen lese, wird mir jetzt noch ganz anders. So vielen Hunden wird Furchtbares angetan - auch im Namen des Tierschutzes.
Doch müssen auch die hilfesuchenden Menschen durch eine "harte Zeit". Die kurze Schilderung der Besitzerin zeigt, wie sehr sie mit sich selbst im Konflikt war - berechtigterweise!
Ich erlebe es häufig als Hundetrainerin, dass Menschen tatsächlich erleichtert sind, den Hund nicht maßregeln zu müssen, sondern dass sie ihm auf gewaltfreie und tierschutzkonforme Weise viel besser zeigen können, wie er sich verhalten soll.
Alleine schon die Erklärung, dass der Hund nicht die Weltherrschaft an sich reißen möchte, sondern aus vielerlei Gründen nicht anders kann, öffnet Emathie und somit die Tür zu einer vertrauensvollen Beziehung.
Daher ist es mir ein großes Anliegen, dass Vermittlungsorganisationen mit seriösen HundetrainerInnen, die belohnungsbasiert, gewaltfrei und tierschutzkonform arbeiten, kooperieren.
Hundevermittlungen sollten idealerweise von Vorneherein begleitet werden (zumindest sollte es diesbezüglich Empfehlungen seitens der Vermittlungsorganisation geben). Oft genügen wenige Trainingseinheiten, um Hund und Mensch zu helfen.
Vermittlungsbegleitung spart Geld, Nerven und bedeutet echten aktiven Tierschutz. Vorbeugen ist besser als Heilen!
Trainieren statt dominieren!
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