Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin grundsätzlich sehr froh darüber, dass das Thema Leinenruck und gesundheitliche Schäden von Ihnen behandelt wird (insbesondere das Interview mit Dr. Kerstin Röhrs). Am Beginn des Artikels „Ruck & Zuck“ wurde auch wirklich sehr anschaulich erklärt, welche Ursachen und Folgen das andauernde Zerren haben kann.
Leinenführigkeit zählt auch für mich zu den wichtigsten Dingen, die ein Hund lernen sollte, nicht zuletzt auch seiner Gesundheit wegen. Sehr schön erklärt wurde die Tatsache, dass sich die Anspannung der Leine allein schon auf den Hund auswirkt und somit aggressives Verhalten auslösen kann (klassische Konditionierung). Bis hierhin stimme ich größtenteils überein.
Als dann jedoch Hundetrainer Michael Grewe eine Anleitung für die richtige Anwendung eines – sehr verharmlosend formulierten – „verhältnismäßigen Leinenimpuls“ gibt, war mein positiver Eindruck zunichte gemacht. Wie kann man hier von „Verantwortung übernehmen“ sprechen?
Es ist auch ein haushoher Unterschied, „über das Mittel eines gelegentlichen Leinenrucks“ den Hund daran zu erinnern, dass Ziehen unerwünscht ist, oder die Leinenführigkeit völlig auf Leinengerucke aufzubauen. Im ersteren Falle gehe ich davon aus, dass der Hund mittels positiver Methoden bereits gelernt hat, an der Leine zu gehen - aber selbst dann lehne ich den systematisch eingesetzten „Leinenimpuls“ als Erinnerung ab.
Den Hund aber sprichtwörtlich „ins offene Messer“ laufen zu lassen, also einen Fehler seinerseits zu provozieren – denn der Hund weiß ja noch gar nicht, worauf es ankommt – ist absolut tierschutzrelevant. Es ist schockierend, was hier vorgetäuscht wird: „Solange du dich an der Leine befindest, sollst du dich verstärkt am Verhalten deines Menschen orientieren“. Dies wird aber nicht durch Vertrauen und Sicherheit erreicht, sondern durch Einschüchterung und Verunsicherung, wie Grewe auch offen zugibt. Denn der Hund lernt in Wirklichkeit nichts anderes, als dass eine angespannte Leine äußerst unangenehm werden kann und vermeidet daher diese Situation.
Durch die Anleitung „nicht auf den Hund eingehen“ und „ohne emotionale Regung“, wenn dieser verunsichert Richtung Frauchen/Herrchen blickt, soll wohl die Beziehung zum Hund nicht leiden. Das tut sie aber auf alle Fälle, denn der Hund wird in seiner Verunsicherung alleine gelassen – was nicht unbedingt für die Führungsqualität am anderen Ende der Leine spricht. Hier von Motivation des Hundes, die Lösung zu finden, zu sprechen, zeugt von völliger Unkenntnis oder bewusster Irreführung: ich bin motiviert, wenn ich etwas Positives erwarte, nicht, wenn ich nur etwas Negatives loswerde!
Am Schluss kommt aber der eigentliche „Wert“ dieser Übung zum Vorschein: wenn die Interessen des Menschen im Vordergrund stehen, hat der Hund sich anzupassen. Der Hund soll schon allein das Nicht-Beachtet-Werden als Signal sehen, dass er jetzt einfach „funktionieren“ muss – ansonsten wirds unangenehm!
In Fussgängerzonen, die an sich schon für Hunde sehr verunsichernd wirken, einen derartigen Gehorsam zu verlangen, erinnert an „die alte Schule“. Wodurch ist dieser Verlust an Empathie, Mitgefühl und Respekt vor den Bedürfnissen anderer Lebewesen begründet?
Zuguter letzt finde ich die Tatsache äußerst bedenklich, wie häufig wiederholt wird, dass dieses Training nichts für Autodidakten ist – aber dennoch eine detailierte Trainingsanleitung gegeben wird. Mir wird etwas übel, wenn ich an die vielen Autodidakten denke...
Und übrigens: Einigkeit „darüber, dass sich der Leinenruck als Standarderziehungsmethode eignet“ herrscht absolut nicht, zum Glück gibt es auch TrainerInnen, die mit tatsächlicher Motivation und Belohnung arbeiten und auf diese Weise eine wirklich vertrauensvolle und harmonische Beziehung zu ihrem Hund erreichen.
Ich hoffe wirklich, dass dieser Artikel eine Ausnahme darstellt, denn unter diesen Gesichtspunkten muss ich von einem geplanten Abo wieder absehen. Bisher war ich DOGS gegenüber sehr positiv eingestellt.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Ursula Aigner
Verhaltensbiologin und Hundetrainerin
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